Krieg und Liberalismus
Publiziert am 24. Februar 2015 von Gerhard Nadolny
Sollten wir Putin im Ukraine-Konflikt eine militärische Antwort geben?
Dieser Beitrag (erschienen am 21.1.15 in Tichys Einblick) des von mir hochgeschätzten Mitgliedes des liberalen Aufbruchs in der FDP, Herrn Norbert F. Tofall, hat mein Bild des klassischen Liberalismus etwas ins Wanken gebracht:
Tofall´s Fazit in Sachen Ukraine lautet:
„Auf militärische Bedrohungen muss militärisch geantwortet werden, nicht durch Wirtschaftssanktionen.“
Mit Liberalismus habe ich bis zu dem Tag, an dem ich Tofall´s Artikel las, ein friedliches Miteinander der Menschen in Freiheit und Eigenverantwortung, wenig staatliche Gewalt, Bürgerrechte und „last but not least“ freien Wettbewerb und freies Marktgeld verbunden. Für mich ist die einzige Rechtfertigung militärischer Gewalt der Selbstschutz eines Staates. Aber wer in der Ukraine bedroht uns und warum sollte Deutschland, die Nato oder die EU sich dort militärisch einmischen?
Wer eine solche Forderung, wie sie im obigen Zitat steht, im dem aktuellen Ukraine Konflikt formuliert, gießt Öl in Feuer und betreibt für mich das Handwerk der Kriegstreiber.
Mit der Frage, wie sich ein Liberaler zum Krieg bzw. zur Anwendung von Gewalt stellt, wenn es um die Durchsetzung politischer Ziele steht – und darum geht es in diesem geostrategischen Konflikt-, habe ich mich bisher nie beschäftigt, denn in meiner Naivität dachte ich, der klassische Liberalismus lehne staatliche Gewalt, also auch Krieg grundsätzlich ab. Wobei ich ausdrücklich nicht von einem Verteidigungskrieg auf eigenem Gebiet rede.
Kriege und Papiergeld haben eine Gemeinsamkeit: sie zerstören. Davon kann auch meine Familie ein sehr trauriges Lied singen. Meine 1880 in Westpreußen geborene und 1970 in der Eifel gestorbene Oma hat mir an ihrem Sterbebett eindrucksvoll geschildert, was es bedeutet, zwei Weltkriege und zwei „Währungsreformen“ erleiden zu müssen. Sie hat einen Sohn, Haus, und Hof, ihre Heimat, ihre Ersparnisse und ihre wirtschaftliche Existenz verloren. Ihre 3 Kinder hat sie überwiegend alleine erziehen und versorgen müssen, da mein Opa viele Jahre in Sachen erster und zweiter Weltkrieg unterwegs sein musste wegen des staatlichen Gewaltmonopols. Das Vaterland dankte es ihr mit einer Rente auf Armutsniveau und dem diskriminierenden Status eines Ost- Flüchtlings.
Mein politisches Bewusstsein entwickelte sich in der Zeit des kalten Krieges. Stichworte dazu lauten: Nato Doppelbeschluss und atomare Abschreckung. Als Bewohner der Eifel hatte ich persönliche Kontakte zu unseren amerikanischen Beschützer und ihren Stützpunkten in Spangdahlem, Bitburg, Büchel oder Ramstein. Damals ist mir auch klar geworden, welche Bedeutung die amerikanische Besatzungsmacht für das Bruttosozialprodukt der mit amerikanischen Atomwaffen, Bombern und Kampffliegern bestückten Eifel hat. Die dort und anderswo gelagerten Waffensysteme müssen natürlich regelmäßig erneuert werden. Was eignet sich besser dafür als die weltweiten Kriege der USA. Aber rechtfertigt der wirtschaftliche Nutzen den Schaden, die jeder Krieg den betroffenen Menschen antut? Die erdrückende militärische Übermacht der USA ist heute größer als in den 70er Jahren. Die USA liefern – ohne Bestellung- anderen Staaten die Demokratie mittels Waffengewalt frei Haus. En besonders verlogenes Beispiel ist die Befreiung Libyens von Gaddafi. Aber in Wirklichkeit geht es natürlich nicht um Demokratie, es geht um das Petro- Dollarsystem, es geht um Rohstoffe. Kurzum: es geht um Macht und Geld. Rechtfertigen diese Ziele den Einsatz von Militär?
Gerhard Nadolny
Eine wesentliche elementare liberale Forderung lautet: „ Schade niemanden“. Dieser Grundsatz sollte Krieg als eine Fortsetzung der Demokratie mit anderen Mitteln für jeden Liberalen m.E. ausschließen. Dachte ich zumindest bis am letzten Sonntag. Doch dann las ich den Kommentar eines weiteren klassisch liberalen FDP Mitgliedes im Internet. Er findet Norbert F. Tofall´s Fazit „konsequent und richtig. Schließlich seien die Liberalen ja für das Primat von Recht und Freiheit“.
Davon, dass wir unsere Demokratie im Hindukusch verteidigen müssten, hatte ich schon gehört, aber neu ist mir, dass unsere Freiheit von der Ukraine bedroht wird. Wieso bedrohen prorussische Separatisten meine Freiheit?
Der Vize Außenminister der Ukraine, Vadym Prystaiko, hat eine noch schockierende Aussage, ebenfalls am 21.2.15 während eines Radio-Interview mit CBC, dem kanadischen Staatssender, gemacht: Er sagte:
„Wir wollen nicht allen Angst machen, aber wir bereiten uns auf einen totalen Krieg vor.“
Den Spruch mit dem totalen Krieg hat meine Oma auch schon mal gehört, damals von einem Nazi Propagandaminister aus Mönchengladbach-Rheyd. Das Ergebnis ist bekannt. Der ukrainische Vize Minister scheint größenwahnsinnig zu sein, sich nicht nur mit dem eigenen Volk in der Ostukraine, sondern auch noch mit Putin militärisch anlegen zu wollen. Oder ist er nur ein Vasall bzw. Sprachrohr amerikanischer Kriegstreiber? Wenn letzteres zutrifft, dann müssen alle freiheitliebenden Kräfte in der EU aufstehen. Das allerletzte was wir tun dürfen ist, der Ukraine Waffen für einen totalen Krieg mit Russland zu liefern?
Was haben unsere Waffen in der Ukraine mit dem Primat von Recht und Freiheit zu tun? Russland ist ein Teil Europas. Liberale müssen dafür kämpfen, dass wir friedlich mit allen europäischen Völkern zusammenleben können. Liberale sollten die Beziehungen zu Russland stärken und eine weitere Nato Osterweiterung ablehnen. Wir brauchen keinen militärischen Antworten, sondern diplomatische Lösungen. In der „Hammer Erklärung“ vom 15.2.15 hat der Liberale Aufbruch in der FDP u.a. zu Recht gefordert Zitat:
„ … kein Mensch, keine Gruppe, keine noch so demokratisch gewählte Mehrheit und kein Staat haben das Recht , Menschen zu zwingen, auf eine bestimmte Art und Weise glücklich zu sein…“
Das muss auch die Leitschnur für unsere Haltung in dem aktuellen Ukraine Konflikt werden. Weder die USA, noch die Nato oder die EU haben das Recht, den Menschen in der Ostukraine unsere Demokratie mit Waffengewalt zu bringen und sie gegen Ihren Willen vom Einfluss des bösen, machtgeilen Putins zu befreien.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ein Sprecher des Liberalen Aufbruchs in der FDP sich von dem o.a. Beitrag des FDP Mitgliedes Norbert F. Tofall distanzieren würde.
Gerhard Nadolny